ESCAPE

…Wenn man zu tief ins Handy schaut und sich selbst begegnet. Wenn sich deine Endgeräte nur noch miteinander unterhalten. Wenn Alexa auf einmal schlechtere Laune hat als man selbst…


Eine interaktive Ausstellung von Jugendlichen – zum Alltag zwischen analogen und digitalen Lebensräumen, zum Swipen zwischen Emotionen und Technologie. Mit Videoperformance und digitaler Kunst… greifbar, nah und zugleich ganz weit weg.

Werke

Hey_Tim

Die Projektion des Videos befand sich am Ende eines schmalen, fast leeren Gangs. Davor eine Matratze auf Getränkekisten, darauf Kopfhörer.

Im Video sehen wir ein Gesicht, das sich statisch wie in einem Loop hin und her bewegt und wenig Mimik zeigt. Wir hören die Stimmen von Ole und Tim. Ole ist ein Jugendlicher, der schlecht gelaunt nach Hause kommt und beginnt, sich mit Tim zu unterhalten. Tim ist eine künstliche Intelligenz in Form eines virtuellen Assistenten. Das Gesicht im Video gehört zu Tim. Er ist so etwas wie Oles digitaler Freund. Er versucht, Ole aufzumuntern.

Den Dialog des Videos hat Elias geschrieben und eingesprochen. In dem Text treffen die Komplexität der überfordernden emotionalen Zustände eines Jugendlichen auf eine zwar Leistungsfähige aber doch beschränkte Hochtechnologie. Oles Stimmung wird während des Gesprächs immer schlechter, er fühlt sich alleine und unverstanden. Währenddessen bleibt die KI Tim emotional eintönig, nur sein statisches Lächeln nimmt zu.

entscheid_dich_mal

entscheid_dich_mal basiert auf einer Gruppenübung aus der Projektzeit. Die Teilnehmenden mussten sich spontan zu teils provozierenden Fragen zum Thema Analog oder Digital positionieren.

Die Fragen waren z.B.: Haustier oder Roboter? Sterben oder Cryoschlaf? Park oder WhatsApp? Diskussionsreiche, teils fragwürdige, stets reflektierte sowie auch amüsierte Begegnungen entstanden zwischen uns.

Für unsere Ausstellung entschieden sich die Teilnehmenden: Das Publikum soll definitiv auch teilhaben. Dafür entwickelten wir entscheid_dich_mal.
Du hast dir vielleicht noch nie Gedanken darüber gemacht. Du hast es vielleicht schon mal gespürt. Du bist verunsichert?

Wie du dich oder wonach du dich entscheidest, ob es eine spontane Reaktion ist, du leichtfertig handelst, einfach bequem bist oder ganz reflektiert eine bewusste Entscheidung triffst, das kannst nur du wissen. Entscheide dich zwischen dem Analogen oder dem Digitalen. Wo stehst du? Und wie weit weg setzt du deinen Punkt von der anderen Seite? Bist du nah an der Grenze dran oder ganz weit entfernt?

Begegnungen

Ein Display mit Bildschirmen auf beiden Seiten hängt frei in der Mitte eines leeren dunklen Raums. Wände und Boden sind von einem Green Screen überspannt. Wir hören eine abstrakte Soundspur mit Geräuschen und Stimmen.

Die Videos sind ausgehend von den Fragen entstanden: Wie wäre das wohl, wenn du dir selbst begegnest? Wie wäre wohl dein anderes Ich? Was, wenn es mehrere andere Ichs gibt? Welche Funktion hat dein anderes Ich? Wozu brauchst du es? Willst du es? Willst du deinem Ich begegnen?

Unser Filmstudio bot den Kids die Möglichkeit, ihre Antworten auf diese Frage zu simulieren. Von der Idee bis zum Storyboard oder direkt live vor dem Greenscreen – Vom Filmen bis zum Schnitt – Vom fertigen Film bis zur Geräuschkulisse. Fertig.

>>falt_welt.scan<< &
<<falt_weiter.obj>>

Ein fast zwei Meter großes Objekt, dessen Form an einen Baum erinnert, steht in einem bühnenähnlichen Raum. Bei näherer Betrachtung besteht es aus immer gleichen Papierteilen, welche ineinander gesteckt sind. Es wirkt wie der Entwurf eines 3D-Modells – bestehend aus endlosen Polygonen – das noch nicht fertig gerendert wurde. Auch hat das Objekt selbst eine unbestimmte Oberfläche, ihm wurde noch keine Textur zugewiesen. Das Objekt wird von einem Beamer angestrahlt. Per Live-Projektion können die Besucher:innen das Objekt selbst über ein Tablet bemalen und ihm so die gewünschten Eigenschaften zuordnen. Mit vorgehaltenen Papierteilen konnten Besucher:innen das Objekt erweitern. Durch die Erweiterung an unterschiedlichen Seiten und Höhen verwandelte sich das Objekt im Laufe der Ausstellung.

Auf der gesamten Wand neben der Bühne befindet sich eine Projektion. Zu sehen ist eine Wiederholung oder Verlängerung des gleichen Raums. Dort befinden sich mehrere Versionen des Papierobjekts, in verschiedenen Größen im Raum verteilt. Bei genauerer Betrachtung geht ab und zu ein leichtes Vibrieren durch die Objekte.

Während der künstlerischen Forschungen im Projektverlauf wurde immer wieder alles Mögliche per 3D-Scan aufgenommen. Gerade Pflanzen übten einen Reiz aus. Die natürlichen Objekte wurden besonders häufig in digitale Modelle umgewandelt. Parallel haben wir mit der Technik des 3D Origami experimentiert. Mit dieser Falttechnik werden normalerweise kleine Figuren durch das Zusammenstecken einzelner abstrakter Papierteile erschaffen. Wir wollten die Technik ausreizen und Lebensgroße Objekte abstrakt nachbilden. Und auch die Papiermodelle mussten natürlich wieder per 3D-Scan aufgenommen werden. Wir befanden uns also mitten in einem ästhetischen Experiment zwischen dem Analogen und dem Digitalen. Aus diesem vielseitig verschachtelten Prozess ist die Rauminstallation entstanden.

Der zerstörte Wintergarten

Ein Glaskasten mit trüben, fast undurchsichtigen Scheiben. Von innen scheint künstliches grünes Licht, ansonsten sieht man nur schemenhafte Silhouetten. Wenn man näher herangeht, kann man an einigen Stellen hineinsehen.

Pflanzen spielten immer wieder eine Rolle während unserer künstlerischen Forschungen und Diskussionen im Projekt. Sie wurden verwendet als Gleichnis für die Eigenschaften des Internets, sie verzweigen sich, können durch Ranken verbinden, sind unvorhersehbar und lebendig. Gleichzeitig stehen sie im großen Kontrast zur Technologie. Vielleicht wurden sie gerade deswegen immer wieder so gerne als 3D-Scans aufgenommen.

Im Sinne unserer Experimente aber auch um unser Labor einfach schöner einzurichten schafften wir einige Pflanzen an und zogen neue auf. Am Ende sind alle unsere Pflanzen gestorben. Wir nutzten sie in Der zerstörte Wintergarten, für eine art dystopische Simulation.

Zwei künstliche Intelligenzen

Einführungstext
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Ein kleiner Roboter liegt auf einem Tisch. Er ist mit Kabeln verbunden, die an ein Tablet angeschlossen sind. Auf dem Tablet läuft ein Video, in dem ein Dialog zu lesen und zu hören ist. Auf dem Tisch befindet sich außerdem ein Text, welcher die Situation genauer erklärt.

Der Text ist ein Gedankenspiel, ein Experiment. Es galt herauszufinden und auf die Spitze zu treiben, was passieren könnte, wenn zwei Künstliche Intelligenzen zufällig aufeinandertreffen und sich darüber unterhalten, was Realität und Gefühle sind.

escape_dich_rein

Die großen Schaufensterfronten unseres Projektraumes im Allee Center waren immer wieder Ausgangspunkt für kreative Ideen und Anregung zum Austausch mit den Menschen außerhalb. Es entstand die Idee, das Schaufenster wie einen Bildschirm zu nutzen. Dazu bestrichen wir einen Bereich mit Buttermilch, auf den wir mit einem Beamer von Innen projizieren konnten.

Projektbegleitend entstand ein Film, der nach Außen über unser Projekt informieren und für die anstehende Ausstellung werben sollte. Von Probe zu Probe erweiterten die Jugendlichen das Video um Bilder und Videoschnipsel, die während der Projektzeiten entstanden. Dabei experimentierten die Teilnehmenden mit verschiedenen gestalterischen und grafischen Werkzeugen der Video- und Bildgestaltung. Durch Schriftelemente griffen die Jugendlichen immer wieder Elemente aus Social Media Plattformen wie Instagram und Tiktok auf. Dabei war es vor allem interessant, dass sie diese Mittel verwendeten, aber auch immer wieder überspitzten, um den teilweise grotesken Charakter von Werbung und Selbstdarstellung und Optimierung aufzuzeigen.

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Unsere Datenschutzerklärung

Beteiligte

Kinder und Jugendliche aus ganz Leipzig trafen sich mit zwei Theaterpädagoginnen und zwei Designern im Projektraum im Allee-Center Leipzig.
Sechs Teilnehmerinnen erschufen Werke für die Ausstellung.

Teilnehmer*innen:

Elias
Elaine
Jakob
Julia
Lili
Merle
Tyamu

In Zusammenarbeit mit:

Theaterpädagogin
Kultureller Bildner und Medienkünstler
Theaterpädagogin

Prozess

2022: Acht Monate trafen wir uns wöchentlich mit einer Gruppe von Jugendlichen (12-16 Jahre), um ESCAPE zu hinterfragen, zu erforschen und zu erleben.
“Wohin wollen wir fliehen - vom Digitalen ins Analoge – oder vom Analogen ins Digitale?”

Dank unterschiedlicher Theater-Methoden und digitaler Medien war es uns möglich, verschiedene Perspektiven zu einem vielseitigen Themenfeld zu betrachten. Hierbei war es uns als Team wichtig ergebnisoffen zu arbeiten und die Teilnehmer:innen dabei zu unterstützen, die analoge und digitale Welt zu entdecken, eigene Interessen zu formulieren und diese umzusetzen.

So betrachteten wir unter anderem, wie die Welt des Internets zu verstehen ist und welche Bereiche wir aufsuchen oder meiden.

Zum Beispiel diskutierten wir gemeinsam über die Wirkung und die Perspektive von Aufnahmen, über den gewählten Bildausschnitt, die Haltung einer Person, die Geste, die Kleidung, das Make Up oder Accessoires, die auf vorgelegten Fotos zu sehen waren. Die Teilnehmer:innen sortierten den Personen, die auf den Fotos zu sehen waren, unterschiedliche Aussagen und Charaktere zu. Sie entwickelten Geschichten zu diesen und stellten im anschließenden Diskurs fest, wie divers ihre Meinungen zu der Wirkung der Personen auf den Fotos waren.

Es stellte sich die Frage: “Wie willst du dich selbst (im Internet) präsentieren?" Auch setzten wir uns mit der Frage “Was ist analog und was ist digital?” auseinander. “Zockst du lieber ein Online-Spiel oder bevorzugst du ein Gesellschaftsspiel mit Freunden Zuhause? Welche Bereiche in der analogen Welt interessieren dich und können nicht oder nur schwer durch das Digitale ersetzt werden? Müssen wir das Analoge pflegen, während sich das Digitale auch ohne uns rasant weiterentwickelt?” Obwohl die meisten unserer Teilnehmer:innen sich bei einer Sortierung eher für analog entschieden, war es wiederum spannender für sie, digitale Ergebnisse zu erzielen.

Es gelang uns, die darstellende Kunst mit der digitalen Kunst zu kombinieren. Vom Theaterspiel zum Filmdreh mit Greenscreen, vom Texte schreiben bis hin zur Vertonung dieser, vom Experimentieren von analogen Masken bis hin zu den digitalen Masken, von analogen Sounds bis hin zur digitalen Verarbeitung dieser, vom Erlernen bis hin zum selbstständigen Film- und Tonschnitt und vom Blatt Papier bis hin zu einer gemeinsamen handwerklichen Kunst.

Alle sprudelten vor Neugier und Kreativität. Das Interesse der Teilnehmer:innen entwickelte sich zu einer Leidenschaft, die jede:n einzelne:n dazu brachte, auf ganz eigene Art ein Kunstwerk zu erstellen.

Das Ergebnis unseres Projektes, die Ausstellung, entstand teils aus Gruppenarbeit und teils aus Einzelarbeiten. Die Schwerpunkte der Kunstwerke waren sehr unterschiedlich, denn die Auseinandersetzung mit eigenen Themen war für die Jugendlichen ebenso wichtig, wie neue Theater- und Medien-Kompetenzen zu erforschen und zu erlernen.

Es entstand eine sehr abwechslungsreiche und unterhaltsame Ausstellung, die einen großen Teil des Publikums zum Nachdenken sowie Nachhaken brachte.

Das Projektteam Dankt Almut Haunstein und Erik Hofmann sowie dem gesamten Team des großstadtKINDER e. V., Mirko Gust, Hannes Köhler, Henrik Wöhler, Robert Weise, Holm Taddiken, Herrn Ziehmann und dem Technik-Team des Allee-Centers Leipzig.

Ausstellung

2. 12. - 17. 12. 2022